In Deutschland können dem Einzelmensch-bezogenen Ideologietyp in gemäßigter Form die Freie Demokratische Partei (FDP) und in extremer Form die Partei der Vernunft (PDV) und die Basisdemokratische Partei Deutschland (dieBasis) zugeordnet werden.
Die FDP trägt als liberale Partei den Freiheitsbegriff bereits in ihrem Namen. Die PDV ist als extrem liberale Partei bereits libertär. Durch den Vernunftbegriff im Namen und den damit verbundenen Anspruch weist sie totalitäre Tendenzen auf. Reklamiert eine Partei für sich Absolutheit wie Vernunft oder Wahrheit, widerspricht sie implizit einem politischen Meinungspluralismus und offenbart ein antipolitisches Gesellschaftsverständnis. Gleiches trifft auf die Partei dieBasis zu, die jedoch nicht wirtschaftsliberal wie die PDV agiert, sondern den Freiheitsbegriff bürgerlich radikal ausrichtet (u.a. gegen bzw. kritisch gegenüber Corona-Maßnahmen, Impfungen, Rundfunkgebühren, Schulpflicht und Schulmedizin).

Insgesamt kann die in der politischen Theoriebildung beschriebene liberale Parteifamilie (vgl. von Beyme 1982: 43ff; Franzmann 2012) dem Einzelmensch bezogenen Ideologietyp zugeordnet werden. Liberale Parteien setzten sich für einen Staat ein, der sich möglichst wenig in die Gesellschaft einmischt, sich auf den Schutz der Bürger:innen beschränkt und die Bedingungen für die freie Entfaltung von Individuen und Unternehmen schafft (vgl. Lucardie 2018: 42).
Bei der analytischen Betrachtung von Parteien des Einzelmensch bezogenen Ideologietyps können zwei Strömungen unterschieden werden, bei denen das Primat der freien Selbstentfaltung im Sinne der Nutzung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Potenzialen unterschiedlich fokussiert wird. Die erste Strömung interpretiert den Freiheitsbegriff als politische Freiheit Personen-bezogen, die andere als materielle Freiheit Güter-bezogen.
Auf der Personen bezogenen Ebene (politische Freiheit) setzen sich entsprechende Parteien für individuelle Freiheits- und Persönlichkeitsrechte ein, die dazu dienen, ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben möglichst ohne Beeinträchtigungen von außen zu führen und sich selbst zu entwickeln und zu verwirklichen (z.B. Themen wie Vorratsdatenspeicherung, Datenschutz, Bürgerrechte, künstlerische Freiheit, Diversität der Lebensentwürfe).
Die zweite Strömung bezieht den Freiheitsbegriff auf eine Güter bezogene Ebene (materielle Freiheit). Auf dieser geht es nicht primär um individuelle Selbstverwirklichung der Person als Ganzes, sondern in ihrer Rolle als Wirtschaftssubjekt. Entsprechende Parteien setzen sich für unternehmerische Freiheit ein (z.B. Themen wie niedrige Auflagen, niedrige Steuern, wenig Bürokratie, freier Markt).
Apolitische Strömungen und politikferne Nichtwähler:innen
Durch einen starken Fokus auf das Selbst, die eigene Persönlichkeit und das eigene Wirtschaften sowie die Forderung nach so genannter negativer ‚Freiheit von‘ subsumieren sich unter dem einzelmenschbezogenen Ideologietyp auch apolitische Strömungen: Politisch desinteressierte Menschen gehören aufgrund ihrer Lebensausrichtung allein auf das Private (Arbeiten, Herstellen, Konsumieren) ebenfalls diesem Ideologietyp an wie die politikfernen Nichtwähler. Oskar Niedermayer unterscheidet vier Typen von Nichtwählern (vgl. Niedermayer 2012): Neben unechten, unzufriedenen und abwägenden Nichtwählern zeichnen sich politikferne Nichtwähler durch ein fehlendes Interesse an Politik aus und stellen die Mehrheit der gesamten Nichtwähler dar. Vor diesem Hintergrund wäre der Anteil der Menschen in Deutschland, der zu dem Einzelmenschtyp tendiert, deutlich größer als es die Anteile liberaler und libertärer Parteien bei Wahlen vermuten lassen.

Zur Beschreibung der theoretischen Grundlagen des Einzelmenschtyp: –>mehr/tab
Literatur:
Franzmann, Simon T. (2012): Die liberale Parteienfamilie, in: Jun, Uwe und Höhne, Benjamin: Parteienfamilien. Identitätsbestimmend oder nur noch Etikett?, S. 157-187.
Lucardie, Paul (2018): Zur Typologie der politischen Parteien, in: Decker, Frank und Neu, Viola (Hrsg.): Handbuch der politischen Parteien, Wiesbaden, S. 41-56.
Niedermayer, Oskar (2012): Der politische Wettbewerb um Wählerstimmen, online abrufbar unter: https://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138731/der-wettbewerb-um-waehlerstimmen.
von Beyme, Klaus (2000): Parteien im Wandel. Von den Volksparteien zu den professionalisierten Wählerparteien, Wiesbaden.