Mitmenschparteien

In Deutschland können dem Mitmensch bezogenen Ideologietyp in gemäßigter Form die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), in stärker ausgeprägter Form die Partei Die LINKE sowie in extremer Form die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD), die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und die Sozialistische Gleichheitspartei (SDG) zugeordnet werden. MLPD, DKP und SDG weisen zum Teil totalitäre Tendenzen auf. Die Parteien reklamieren in ihrer Kommunikation für sich die Wahrheit als Absolutheit und offenbaren ein antipolitisches Gesellschaftsverständnis.

Dem Mitmenschtyp können die in der politischen Theoriebildung beschriebene sozialdemokratische Parteifamilie (vgl. Jun 2012), linke Parteifamilie (vgl. Spier 2012) und sozialistische Parteifamilie (vgl. von Beyme 1982: 43ff) zugeordnet werden. All diese Parteifamilien weisen mit Blick auf ihr Streben nach Gleichheit graduelle, aber keine kategorischen Unterschiede auf. Sozialisten haben gemeinsam, dass sie durch Staatsinterventionen die Gesellschaft aktiv ändern und steuern möchten (vgl. Lucardie 2018: 42).

Die Gleichheit als zentrale politische Kategorie führt bei den Mitmensch bezogenen Parteien zu einer kritischen Einstellung gegenüber der Wirtschaft, da Wirtschaften materielle Ungleichheit produziert (Kapitalismuskritik). Zugleich führt das Gleichheitsstreben zu einer ambivalenten Einstellung gegenüber der Institution des Staates: Dieser soll auf der einen Seite stark sein, um durch Angleichung und Umverteilung für mehr Gleichheit zu sorgen (sozialer Wohlfahrtsstaat). Zugleich ist der Staat selbst aber Ursache für Ungleichheit, da er Machtverhältnisse schafft, die Ungleichheit zwangsläufig mit sich bringen. Daher richtet sich die anarchistische Ausprägung dieses Typus gegen den Staat und das staatliche Gewaltmonopol (Linksextremismus).

Strukturen schaffen immer Machtverhältnisse und damit zwangsläufig politische Ungleichheit. Ddem Mitmenschtypen können daher auch anarchistische Parteien zugeordnet werden. Diese zielen auf die Beseitigung politischer Strukturen (nichtstaatliche Gesellschaft), um auf diese Weise Gleichheit zu verwirklichen. Paul Lucardie muss widersprochen werden, der argumentiert, dass Anarchisten mit der liberalen Großfamilie verwandt seien (vgl. Lucardie 2018: 43). Auf dem ersten Blick kann das anarchistische Ziel der Abschaffung des Staates mit dem liberalen Verständnis eines wenig eingreifenden Staates (siehe Einzelmenschtyp) ähnlich erscheinen, jedoch wird hierbei übersehen, dass der Liberalismus staatliche Strukturen zum Schutz der Personen und Güter bezogenen, negativen Freiheit zwingend benötigt. Der Anarchismus verfolgt nicht originär die Abschaffung des Staates als Ziel, sondern die Beseitigung von Hierarchien. Daher strebt er gemäß der Mitmensch bezogenen Ideologie primär nach Gleichheit und nicht nach individueller Freiheit.

Anarchistische Parteien wie die Partei Die Bergpartei (B) als selbstbezeichnetes ökoanarchistisches und realdadaistisches Sammelbecken können einer extremen Form des Mitmensch bezogenen Ideologietyps zugeordnet werden, die auf die Schaffung einer klassenlosen Gesellschaft abzielt. Die Partei Die Bergpartei weist aufgrund ihres Ziels der Überwindung von Parteien und damit von politischem Pluralismus totalitäre Züge auf. Die namentlich anarchistische Partei Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD) kann aufgrund wenig inhaltlich inhärenter politischer Positionen weniger als reale politische Kraft verstanden werden.

Deutsche Parteien und Flügel von SPD und Linke auf der Mitmenschtypen-Seite der Ideologiepyramide.

Die theoretische Grundlage Mitmensch bezogener Parteien liegt im entsprechenden Grundtyp (–>mehr/tab).

Literatur:

Jun, Uwe (2012): Die sozialdemokratische Parteifamilie, in: Jun, Uwe und Höhne, Benjamin: Parteienfamilien. Identitätsbestimmend oder nur noch Etikett?, S. 71-100.

Lucardie, Paul (2018): Zur Typologie der politischen Parteien, in: Decker, Frank und Neu, Viola (Hrsg.): Handbuch der politischen Parteien, Wiesbaden, S. 41-56.

Spier, Tim: Die linke Parteienfamilie, in: Jun, Uwe und Höhne, Benjamin: Parteienfamilien. Identitätsbestimmend oder nur noch Etikett?, S. 222-245.

von Beyme, Klaus (2000): Parteien im Wandel. Von den Volksparteien zu den professionalisierten Wählerparteien, Wiesbaden.

Werbung